Mehr Zeit für mich- warum wir von den Zeitdieben Abstand halten und die Kunst der Muße lernen sollten
Nichts ist so gerecht verteilt wie die Zeit: Jeder Mensch hat täglich exakt 24 Stunden zur Verfügung. Und doch haben Umfragen zufolge 85 Prozent aller Deutschen das Gefühl, jedes Jahr vergehe schneller. Besonders vor Weihnachten, wenn die Vorbeitungen für das Fest auf Hochtouren laufen, beginnen die Stunden die rasen. Forscher fanden heraus: Für die meisten Menschen fließt die Zeit irgendwo außerhalb von Ihnen dahin. Zeit ist einfach da- oder nicht- und sie müssen sich ihr anpassen. So ist das aber nicht, sagt der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer: „Wir alleine haben es in der Hand, der Raserei ein Ende zu setzen und von den Zeitdieben Abstand zu nehmen.“
Die gleichzeitige Beschäftigung mit mehreren Dingen ist die größte Zeitverschwendung überhaupt. Denn was Zeit sparen soll, überfordert das Gehirn und die Konzentration. Wichtige Informationen gehen dem Gedächtnis durch geteilte Wahrnehmung verloren, was die vergangenen Stunden zu gefühlten Minuten schrumpfen lässt. „Drosseln wir das Tempo unseres Lebens, verlangsamt sich auch der Takt der inneren Uhr.“ sagt Wolfgang Schmidbauer. Wir gewinnen Lebenszeit! Wichtig ist im Alltag Inseln der Muße zu finden und zu nutzen. Jeden Tag ein paar Momente süßen Nichtstuns genießen.
Die Kunst der Muße ist eine Kunst der Befreiung von dem Leistngsdruck, der in unserer Kultur vorherrscht und die kann jeder lernen: Still sitzen, nichts tun und die Angst aushalten, die entsteht – dass das Leben an einem vorbeizieht.
Psychologische Studien belegen, dass der Drang alles perfekt machen zu wollen, und die permantene Überforderung, die daraus resultiert, dazu führen, dass das Zeitempfinden massiv gestört wird.
Weil unser Gehirn auf Ja programmiert ist, fällt uns das Nein-Sagen so schwer. Doch alles, was wir in unserer Freizeit tun, ohne es zu wollen, wird im Gedächtnis nicht abgespeichert und deshalb als ungelebte Zeit erlebt. „Wenn wir uns davor schüzten wollen, dass andere Menschen unsere Zeit stehlen, müssen wir lernen Nein zu sagen“, sagt Schmidbauer. Der gefährlichste Zeitkiller sind wir selber, vor allem unsere Bereitschaft, zu schnell zu viel von unserer Zeit herzugeben. Wer klug ist, behält möglichst viel Zeit für und gibt sie erst ab, wenn ihm klar ist, dass es sich auch wirklich lohnt.
Nur wenige Leistungen des Gehirns lassen sich so leicht und schnell verändern wie der Zeitsinn, erkannten Neurologen. Wir können Minuten zu Stunden dehnen und so Lebenszeit gewinnen. Am ehesten gelingt uns das, wenn wir regelmäßig etwas Neues wagen. Denn das Gehirn schaltet bei gewohnten Handlungen auf Autopilot, die Stunden werden ignoriert und gehen verloren. „Für Kinder ist so vieles neu: Sie entwickeln sich, werden klüger, nehmen mehr wahr, sodass sich jeder Winter wie der erste anfühlt. Was wir von ihnen lernen können, ist der Bruch der Routine, zum Beispiel mit einem Urlaub in einer Umgebung, in der wir uns neu orientieren müssen. Alles was schöpferische Spuren hinterlässt, einen Garten zu pflegen, zu malen oder ein anderes (Kunst)Handwerk auszuüben hilft uns auch, die Welt neu zu sehen, und holt so etwas von dieser kindlichen Dehnung der Zeit zurück.